„Extremismus“ nur ein Kampfbegriff!

Der Begriff „Extremismus“ soll suggerieren, dass es ein „Normal“ gibt und davon abweichend, Extreme, die nach aktuell politischer Lesart bekämpft gehören.

Ganz besonders die Begriffspaare „Links-Extrem“ und „Rechts-Extrem“ zeichnen ein eindimensionales Bild, nach dem sich die politischen Einstellungen, wie an einer Perlenschnur aufgereiht vom Extremen einen über die demokratische Mitte, bis zum anderen extremen Ende bewegen.Dabei ist das derzeit im Vordergrund stehende Gedankengebilde besonders beachtenswert, was maßgeblich vom so genannten „Verfassungsschutz“ propagiert wird, sogar noch davon ausgeht, dass diese Perlenschnur eine Perlenkette um den Hals dieser freiheitlichen Gesellschaft sei: Denn Rechts und Links stoßen nach diesen Erklärungsmustern quasi zusammen.

Aber, wie im echten Leben, ist die Wirklichkeit um einiges bunter ist, als solche eindimensionalen Gedankenspiele. Denn zum einen leben wir in einer dreidimensionalen Welt. Es gibt also neben dem Rechts und Links auch ein Oben und Unten, ein Hinten und Vorne.Es gäbe also hierbei nicht nur ein Extrem-Rechts und -Links, sondern ein Extrem-Oben und -Unten, und so weiter. Einmal ins Schwärmen gekommen für die dreidimensionale Welt, fallen mir gleich noch ein paar mehr Extreme ein: extrem arm, extrem reich, extrem schlau oder extrem dumm… Diejenigen aus der „extremen Mitte“, die mit dem Begriff „Extremismus“ hausieren gehen, wollen vor allem eines: ihre politischen Gegner mundtot machen. Nicht mehr und nicht weniger.Und: Die Kette ausgerechnet an dieser Nahtstelle zwischen emanzipatorisch-linken Gesellschaftsvorstellungen und reaktionär-autoritären und menschenverachtenden Vernichtungsträumen der Neonazis schließen zu wollen, ist politisch falsch!
Wer emanzipatorisch-linke Entwürfe mit Stalinismus oder DDR in einen Topf wirft, hat sich offenbar mit Sozialismus und Emanzipation nicht auseinander gesetzt.Denn Sozialismus / Emanzipation gehört so untrennbar mit dem Begriff der Demokratie zusammen, wie die Demokratie nicht mit Kapitalismus und dem Kampf „Jeder gegen Jeden“ zusammenpasst.

Zum Schluss ein aktueller Zusammenhang: Die sich als Wächter der Grundrechte aufspielenden „bürgerlichen“ Parteien, die den anderen absprechen wollen, sich auf dem Boden des Grundgesetzes zu bewegen – genau diese Parteien zeigen eine unverhohlene Freude über die Hinrichtung des Top-Terroristen – Bin Laden!Ich bin empört über die Doppelzüngigkeit und Doppelmoral, mit der hier Politik gemacht wird. Keine Rede mehr von Grund- und Menschenrechten. Aber genau an diesem Beispiel eines skrupellosen, gemeingefährlichen Terroristen –wie Bin Laden es zu sein scheint– erweist sich die wirkliche Standkraft der Grundrechtsorientierung. Entweder unveräußerliche Menschenrechte für alle oder Menschenrechte für diesen ja und für jenen nein.

(Leserbrief, erschienen in der Landeszeitung)

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