Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschist*innen veröffentlicht zweiten Teil der Broschüre „Lüneburger Kommunistenprozesse“

Die Lüneburger VVN-BdA legt eine weitere Broschüre zur Geschichte der örtlichen Justiz im Nationalsozialismus vor. Sie knüpft an ihre Veröffentlichung aus dem Jahr 2016 an. Darin wurde die Justiz- und NSDAP-Parteikarriere Lüneburger Richter und Staatsanwälte während der NS-Zeit dargestellt sowie ihre meist problemlose Wiedereinstellung in den Justizdienst beim hiesigen Landgericht nach 1945, insbesondere das Personal der 4. Kammer. Die Schrift fand bundesweit Beachtung. Auch die Niedersächsische Justizministerin A. Niewisch-Lennartz empfahl sie bei einer Veranstaltung in der Lüneburger Universität am 27. Januar 2016. Nun also der zweite Teil. Er zeigt, wie das belastete Justizpersonal der politischen Kammer des Landgerichts den Kampf „gegen den Bolschewismus“ in den 1950er/60er-Jahren fortsetzte.

Juristische Grundlage war das Strafrechtsänderungsgesetz aus dem Jahre 1951, wegen der übereilten Verabschiedung im Bundestag „Blitzgesetz“ genannt. Es schaltete einen großen Teil der politischen Opposition aus dem öffentlichen Leben aus, indem es ihre Tätigkeit unter Strafe stellte. Das NS-Personal der Staatsschutzkammer des Landgerichts ging bei der Kommunistenverfolgung in den frühen Jahren der Bundesrepublik besonders rigoros vor. Rechtsanwalt D. Posser, 1968 bis 1988 Minister in Nordrhein-Westfalen, stellte 1965 fest, „dass die Staatsschutzkammer in Lüneburg in einer Weise die geltenden Staatsschutzgesetze auslegt, die im übrigen Bundesgebiet nicht geteilt wird.“ Ehemalige Mitarbeiter der KPD wurden für ihre Aktivität vor dem Verbot der Partei verurteilt. Gefängnisstrafen gab es für Tätigkeiten in Vereinigungen, die die Verwaltungsbehörden niemals verboten hatten. Auch wurden „durch Jahre hindurch Nebenstrafen von besonderem Gewicht gegen politische Täter verhängt, zum Beispiel die Aberkennung des aktiven und passiven Wahlrechtes, die Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter, sogar die Stellung unter Polizeiaufsicht gegenüber Erstbestraften.“ (Posser)

In Lüneburg war eine derartige Justiz möglich, weil sich hier ein großer Teil ehemaliger Juristen des Dritten Reichs konzentrierte und auf Menschen traf, die schon damals und jetzt wieder als Staatsfeinde galten. Staatsanwalt Ottersbach, 1941/42 Mitarbeiter am Sondergericht Kattowitz, hielt dem Angeklagten Paul Butscheck vor: „Aus Ihren Zuchthausstrafen … haben Sie offenbar nichts gelernt.“ Buschbeck gehörte im Dritten Reich zum Widerstand und war wegen „Wehrkraftzersetzung“ verurteilt worden. Ebenso Staatsanwalts von Lücken: „Straferschwerend kommt hinzu, dass der Angeklagte bereits wegen solcher Tätigkeiten hart bestraft worden ist. Das hat aber nichts genützt. Ich beantrage daher gegen ihn eine Gefängnisstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten.“ Die Zuchthausstrafen, auf die von Lücken sich bezog, datierten aus den Jahren 1933 und 1940. Damals war ebenfalls „Wehrkraftzersetzung“ angeklagt.

Mit Blick auf diese skandalöse Justiz konstatierte Ossip Flechtheim sarkastisch: „Die Angeklagten … hätten allerdings besser daran getan, im Dritten Reich Juden umzubringen, als nach 1945 in einer demokratischen und kommunistischen Organisation tätig zu sein – jedenfalls hätte die Justiz mehr Verständnis für sie.“

Die Herausgabe der Schrift der Kreisvereinigung Lüneburg der VVN-BdA wurde finanziell unterstützt von der Rosa-Luxemburg-Stiftung Nds. und der VVN-BdA Nds. Sie trägt den Titel „Das Landgericht Lüneburg als ‚Spitze der justizförmigen Kommunisten-Verfolgung‘ der 1950er/1960er- Jahre. Teil II a: Verfahren – Prozesse – Angeklagte“ und ist zum Preis von 5,00 Euro (incl. Porto) unter vvn-bda-lg@web.de zu beziehen.

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