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Der Zypernkonflikt

 

Geteielte Hauptstadt Zyperns

Zypern – Eine geteilte Insel als EU-Mitglied

Und was nun?

von Coskun Tözen

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Karte Zyperns

Eine Woche vor dem Beitrittstermin zur EU war es soweit. Zum ersten Mal in der zyprischen Geschichte hatten Zyperngriechen und Zyperntürken am 24. April 2004 die Gelegenheit per Doppel-Referendum selbst über ihre Zukunft abzustimmen. Ob die Insel geteilt bleibt oder als Vereinigte Republik Zypern EU-Mitglied wird, lag letztlich in den Händen der Bevölkerungen beider Inselteile. Im Norden leben ca. 160 000 Menschen und im Süden etwa 700 000.

Das Ergebnis der Referenda über den nach dem UN Generalsekretär benannten Annan Plan zur Lösung des Zypernkonfliktes im international nicht anerkannten zypern-türkischen Norden und der international als `einzig rechtmäßige Regierung der Insel´ anerkannten zypern-griechischen Republik Zypern im Süden war eindeutig. Während die Zyperntürken den Annan Plan mit 65% Ja-Stimmen befürworteten, lehnte ihn im Süden eine überwältigende Mehrheit von 75,8% der Zyperngriechen ab. Da die Zyperngriechen gegen den Plan votierten, ist die Vereinigung Zyperns vorerst gescheitert. Die Folge ist erstens, daß Zypern weiterhin geteilt bleibt. Zweitens ist am 1. Mai nur der Süden der Insel, die zypern-griechische Republik Zypern, der EU beigetreten. Dies erscheint zunächst einigermaßen absurd, haben doch die Zyperntürken mit eindeutiger Mehrheit sich für den Lösungsplan entschieden und damit auch für die EU-Mitgliedschaft, bleiben aber trotzdem außen vor. Und diejenigen, die den Plan so eindeutig abgelehnt haben, werden als Belohnung EU-Mitglied.

Zypern und die EU

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Lage Zyperns

Die EU hatte lange Zeit gehofft, die Teilung Zyperns ließe sich vor dem Beitrittstermin überwinden und die EU-Perspektive werde als Katalysator für eine Lösung des Konfliktes wirken. Die EU setzte damit auf die wirtschaftliche Attraktivität und Integrationskraft der Union. Aus dieser Perspektive heraus wurde der Antrag der zypern-griechischen Republik Zypern auf EU-Mitgliedschaft von 1990, von der EU 1993 positiv aufgenommen. Dieser Antrag wurde im Namen der gesamten Insel gestellt, da der zypern-türkische Norden (seit 1983 die einseitig proklamierte Türkische Republik Nordzypern, TRNZ) international nicht anerkannt ist und der Süden völker-rechtlich die gesamte Insel repräsentiert. 1998 wurden schließlich Beitrittsverhandlungen eröffnet, die am 1. Mai 2004 zur EU-Mitgliedschaft der zypern-griechischen Republik Zypern geführt haben.

Die EU hatte zwar anfangs die politische Lösung des Konfliktes zur Vorbedingung für einen EU-Beitritt gemacht. Diese Vorbedingung ließ die EU jedoch 1999 fallen, weil Griechenland, der regionale Schutzpatron der Zyperngriechen, gedroht hatte andernfalls mit seinem Veto die gesamte EU-Osterweiterung zu blockieren. Als dann die EU schließlich im April 2003 in Athen die EU-Erweiterung für alle 10 Beitrittskandidaten in einem Gesamtpaket unterzeichnete, war auch der Beitritt der Republik Zypern besiegelt, mit oder ohne Lösung des Zypernkonfliktes. Mit anderen Worten, die Zyperngriechen hatten die EU-Mitgliedschaft spätestens seit April letzten Jahres bereits sicher und damit keinen Druck mehr, eine Lösung anzustreben. Der Ausgang des Referendums konnte die EU-Mitgliedschaft für die Zyperngriechen nicht mehr beeinflussen. Für die Zyperntürken und die EU hingegen war das Referendum die letzte Hoffnung. Für die Zyperntürken, um doch noch die Vereinigung der Insel zu erzielen und EU-Mitglied zu werden und für die EU, um nicht eine geteilte Insel aufnehmen zu müssen und damit den Zypernkonflikt direkt zu importieren. Hierzu gehört die unschöne Situation, daß die Türkei, ein NATO-Mitglied und seit 1999 EU-Beitrittskandidat mit der Perspektive Ende Dezember 2004 möglicherweise einen Termin für Beitrittsverhandlungen zu erhalten, seit dem 1. Mai offiziell Territorium der EU militärisch besetzt hält.

In den 1990er Jahren bis heute sind die Verhandlungen über die Lösung des Zypernkonfliktes im Rahmen der UN maßgeblich aufgrund der starren Haltung von Denktas, seit 1983 Präsident des Nordteils der Insel, gescheitert. Für Denktas war nicht nur der Antrag der Republik Zypern auf EU-Mitgliedschaft im Namen der gesamten Insel ein Affront. Er sieht in der Teilung der Insel sogar die Lösung des Zypernkonfliktes. Die Zyperngriechen haben bislang den Eindruck erweckt, sie seien bereit eine Lösung des Zypernkonfliktes im Rahmen einer bikommunalen und bizonalen Föderation – um diese Formel drehen sich die Verhandlungen seit der Teilung der Insel 1974 – zu akzeptieren. Allerdings mußten sie bis auf Lippenbekenntnisse bis jetzt auch noch nie wirklich Flagge zeigen. Denn sie waren sich sicher, daß Denktas eine Lösung schon verhindern werde wie er das so zuverlässig bisher auch getan hatte. Wie Papadopoulos, der im Februar 2003 zum zypern-griechischen Präsidenten gewählt wurde, hat auch Denktas bis zum Schluß Stimmung gegen den Annan Plan gemacht. Insofern hat er den Erwartungen vollends Rechnung getragen. Neben dem Vergleich von Verheugen mit einem Nazi-Offizier, sprach Denktas z.B. von der `Auslöschung´ der Eigenständigkeit der Zyperntürken, falls der Annan Plan realisiert werden sollte. Er drohte sogar mit Rücktritt, wenn der Annan Plan angenommen werden würde. Zwar ließen sich die Zyperntürken davon nicht beeindrucken, sie wollten endlich aus der internationalen Isolierung und der wirtschaftlichen Stagnation heraus. Aber da die Zyperngriechen den Plan ablehnten, blieb Denktas der Rücktritt erspart, und dafür bedankte er sich ausdrücklich bei den Zyperngriechen.

Politische Wende in der Türkei und auf Nordzypern

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Symbol für den Krieg

Daß die Agitation von Denktas gegen den Annan Plan diesmal nicht erfolgreich war, ergibt sich aus einer Reihe von Faktoren. Zum einen ist mit Erdogan und dem erdrutschartigen Sieg der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) bei den Wahlen in der Türkei im November 2002 eine politische Wende erfolgt. Das etablierte Parteiensystem wurde bei den November-Wahlen praktisch hinweg-gefegt, z.B. erhielt die Partei des bisherigen Regierungschefs Ecevit nur noch ca. 1% der Stimmen! Aufgrund der hohen Sperrklausel von 10% gelangte neben der AKP, die mit ca. 34% der Stimmen fast eine Zweidrittelmehrheit der Sitze erlangte, nur noch eine weitere Partei mit 20% Stimmanteil in das Parlament. Mit Erdogan, dem derzeitigen Premierminister der Türkei, gelangte eine neue Politiker-Generation an die Macht und leitete eine politische Wende in der Türkei ein. Wie sich gezeigt hat, gibt Erdogans Partei für die Europa-Perspektive des Landes nicht nur Lippenbekenntnisse ab, sondern treibt die Demokratisierung der Türkei legislativ voran, um die Kopenhagener EU-Beitrittskriterien für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zu erfüllen. Neben den Kopenhagener Kriterien stellt der Zypernkonflikt ein Hindernis für die Beitrittsperspektive der Türkei dar. Die Regierung Erdogan/Gül hat begriffen, daß eine Lösung des Zypernkonfliktes eine Voraussetzung für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen darstellt.

Deshalb leitete die Regierung Erdogan/Gül eine bedeutende außenpolitische Wende ein. Hatte die türkische Politik bisher mit ihrer starren Haltung in der Zypernfrage jegliche Verhandlungen mit zum Scheitern gebracht, übte sie nun Druck auf Denktas aus, eine Lösung des Zypernkonfliktes nach dem Annan Plan anzustreben. Die außenpolitische Wende beendete eine 30 Jahre währende Haltung in einem Feld, das noch immer innenpolitische Bedeutung als `nationale Frage´ hat. Diese politische Linie wurde durch innenpolitische Entwicklungen auf Nordzypern verstärkt. Die langjährige Opposition gegen die Position von Denktas erhielt durch die Entwicklungen in der Türkei Rückenwind. Für die EU-Perspektive und gegen die Blockade-Haltung von Denktas gingen nun Zehntausende Zyperntürken auf die Straße. Durch diese Entwicklungen sah sich Denktas, der erneut Verhandlungen über den Annan Plan zum Scheitern brachte und damit eine Welle von Pro-Annan-Plan Demonstrationen mit Zehntausenden Demonstranten auslöste, zum Handeln gezwungen. Er wollte der Opposition den Wind aus den Segeln nehmen, in dem er im April 2003 einseitig die Grenze öffnete, die seit 1974 praktisch undurchlässig war. Damit setzte er allerdings eine Entwicklung in Gang, die kaum mehr rückgängig gemacht werden kann. Ohne daß es zu größeren Auseinandersetzungen gekommen wäre, hat die Grenzöffnung bis heute Hunderttausenden ermöglicht, die Grenze nach Nord und Süd zu passieren und sich zu begegnen.

Bei den Parlamentswahlen im Dezember 2003 auf Nordzypern konnten sich die Befürworter des Annan Planes knapp durchsetzen. Auch wenn das Ergebnis bei weitem kein Erdrutsch-Sieg war wie der Wahlsieg der AKP zuvor in der Türkei, bedeutete das Wahlergebnis eine schwere Niederlage für das nationalistische Lager und verstärkte den Druck auf Denktas, seine starre Haltung aufzugeben oder zurückzutreten. Mit dem neuen Ministerpräsidenten und Befürworter der Vereinigung Zyperns nach dem Annan Plan, Mehmet Ali Talat, wurden die Zyperngespräche fortgesetzt, wenngleich Denktas noch immer der Verhandlungsführer war.

Die Zyperngriechen übernehmen die Blockade-Rolle

Im Februar 2003 wurde Tassos Papadopoulos zum neuen Präsidenten der zypern-griechischen Republik Zypern gewählt. Er ist in einiger Hinsicht ein Pendant zu Denktas. Beide gehören zur `alten Garde´ der Nationalisten und tragen Mitschuld am Scheitern der Republik Zypern von 1960. Es ist nicht klar, ob Klerides, der Vorgänger von Papadopoulos, sich letztlich für oder gegen den Annan Plan ausgesprochen hätte. Ein wesentlicher Zug in den bisherigen Verhandlungen ist es gewesen, daß die Zyperngriechen sich nicht eindeutig positionieren mußten, weil Denktas in verläßlicher Weise alle Lösungs-vorschläge blockierte. Obwohl er bis zum Schluß nicht von seiner starren Haltung abrückte und den Annan Plan offen ablehnte, konnte er die Gespräche nicht mehr blockieren, weil sie letztlich von Talat, dem Ministerpräsidenten des Nordens, und unterstützt durch die Türkei weitergeführt wurden. Während schließlich sowohl die zypern-türkische Delegation als auch die Türkei dem Plan zustimmten, weigerte sich nun Papadopoulos den Annan Plan zu unterschreiben, obwohl die letzten Änderungen am Annan Plan einige Forderungen der Zyperngriechen noch berücksichtigten. Griechenland, ebenfalls wie die Türkei in die letzte Phase der Verhandlungen einbezogen, stand dem Annan Plan zwar positiv gegenüber, wollte aber nicht offen gegen die zypern-griechische Position Stellung beziehen.

Die Ablehnung des Annan Plans seitens der zypern-griechischen Delegation in der letzten Verhandlungsrunde, die am 31. März in der Schweiz endete, war ein schlechtes Signal für das Referendum am 24. April. Papadopoulos war im Februar 2003 gerade auch wegen seiner ablehnenden Haltung im Hinblick auf den Annan Plan zum Präsidenten gewählt worden. Während im Norden der Annan Plan über Monate ausgiebig und kontrovers diskutiert wurde gab es bis zum Schluß keine vergleichbare Auseinandersetzung im Süden der Insel. Auch deshalb ist das Votum im Süden so eindeutig negativ ausgefallen.

Verzerrte Perzeptionen des Zypernkonfliktes

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Grenzbemalung

Ein tieferer Grund für die eindeutig ablehnende Haltung im Süden der Insel liegt in der Perzeption des Konfliktes durch die Zyperngriechen. Der Zypernkonflikt besteht in der offiziellen nationalistischen Auslegung schlicht darin, daß 1974 die türkische Armee im Norden einmarschierte, ca. 37% der Insel besetzte und die dort lebenden Zyperngriechen (ca. 150.000) vertrieb. Für diese Invasion und Teilung der Insel war der von der damaligen Militärdiktatur in Athen angezettelte Putsch gegen den zyprischen Staatspräsidenten und Erzbischof Makarios ein willkommener Vorwand. Dabei wird der Bürgerkrieg 1963/64 bis 1974 schlicht ausgeblendet, der zur Flucht von Zehntausenden Zyperntürken und zur Bildung von militärisch gesicherten zypern-türkischen Enklaven geführt hatte – der Bürgerkrieg von 1963/64 war der Beginn der de facto Teilung der Insel.

Umgekehrt ist die offizielle zypern-türkische nationalistische Auslegung, diejenige, daß 1974 die Türkei mit ihrer `Friedensoperation´ von 1974 die Zyperntürken vor den Zyperngriechen gerettet hat und die Teilung der Insel die Lösung des Zypernkonfliktes darstelle.

Auf zypern-türkischer Seite ist diese Auslegung der Geschichte bis 1974 und die Konsequenz aus den Ereignissen nach dem Motto `die Teilung ist die Lösung´ in den letzten Jahren zunehmend in Frage gestellt worden, und zwar gerade weil diese Haltung zur internationalen Isolation geführt hatte und die Weltgemeinschaft nicht bereit war und ist die Sezession des Nordens zu akzeptieren.

Auf zypern-griechischer Seite hingegen wurde an dem nationalistischen Mythos, daß alles gut war bevor die Türkei den Norden besetzte bis heute weitgehend festgehalten. Eines der Gründe für die mangelnde Hinterfragung des Geschichtsbildes im Süden ist, daß diese Sichtweise Eingang in die internationale Wahrnehmung des Konfliktes gefunden hat und die Zyperngriechen bis heute den Souveränitäts- und Alleinvertretungsanspruch über die gesamte Insel zugesprochen bekommen.

Bislang konnten die Zyperngriechen mit dem Hinweis der Norden sei besetzt und die Zyperntürken könnten unter dem Okkupationsregime nicht für sich selbst sprechen, den Anspruch auch für die Zyperntürken zu sprechen, aufrecht-erhalten. Ferner wurde durch die starre Haltung von Denktas, dessen Ziel seit 1974 die internationale Anerkennung des Nordens und/oder die Annexion durch die Türkei ist, bis heute überdeckt, daß auch einige der zypern-griechischen Positionen nicht gerade förderlich für eine Konfliktlösung sind.

Die Grundlage der Republik Zypern von 1960

Die Republik Zypern wurde 1960 durch die ehemalige britische Kolonialmacht nach Verhandlungen mit der Türkei und Griechenland in die Unabhängigkeit entlassen. Die Republik Zypern wurde als Partnerschaftsrepublik gegründet. Zypern-griechen und Zyperntürken übten gemeinsam die Souveränität aus, d.h. keine der beiden Volksgruppen konnte für sich alleine Souveränität beanspruchen. Damit war der zyprische Staat kein Nationalstaat im herkömmlichen Sinne, sondern eine Proporzdemokratie, die auf der politischen Gleichberechtigung beider Volksgruppen beruhte, welche sich die Macht nach einem ausgeklügelten Proporzsystem teilten. Diese Verfassung konnte nur durch den politischen Willen beider Volksgruppen zur Kooperation funktionieren. Die Republik scheiterte daran, daß beide Volksgruppen auf Konfrontation statt auf Kooperation setzten und nicht etwa daran, wie es die Zyperngriechen gerne darstellen, daß sie zu ‚kompliziert‘ und ‚nicht funktionsfähig‘ gewesen sei. Ferner ist die Republik auch daran gescheitert, daß die Zyperngriechen entgegen der Verfassung die Zyperntürken, die etwa 20% der Gesamtbevölkerung stellen, nicht als politisch gleichberechtigte Volksgruppe anerkannten. Für die Zyperngriechen stellten die Zyperntürken nur eine Minderheit dar, die überproportionale Rechte erhalten hatte.

Reaktionen der EU auf die Haltung der Zyperngriechen

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Die EU äußerte bereits vor den Referenda ihren Unmut gegenüber der zypern-griechischen Regierung, die keinen Willen zur Einigung mit den Zyperntürken gezeigt hatte und die Bevölkerung mit Nachdruck aufforderte mit einem klaren Nein zu stimmen. Im Gegensatz zu der zypern-türkischen Delegation unter dem Ministerpräsidenten des Nordteils, Mehmet Ali Talat, und der Türkei, hatte der zypern-griechische Präsident Tassos Papadopoulos sich letztlich geweigert den Annan Plan zu unterschreiben, obwohl auch Griechenland den Plan positiv beurteilte. Für die EU war dies ein verblüffender Rollentausch, den sie vor ein bis zwei Jahren nicht für möglich gehalten hätte. Bislang waren es die Zyperntürken und die Türkei, die sich mit ihrer Blockade-Haltung hervorgetan hatten. In dem Moment, wo diese Haltung endlich aufgegeben wird und darüber hinaus die Türkei sogar, mit Blick auf ihre eigene EU-Perspektive, sich tatkräftig für eine Lösung einsetzt, übernehmen die Zyperngriechen die Blockade-Rolle.

Der EU-Erweiterungskommissar Günther Verheugen äußerte bereits nach der Ablehnung des Plans durch Papadopoulos, daß er sich persönlich von der zypern-griechischen Regierung getäuscht fühle – ziemlich deutliche Worte für einen Diplomaten. Damit war der Höhepunkt der Entrüstung aber noch nicht erreicht. Im Vorfeld des Referendums weigerten sich die zypern-griechischen TV-Sender u.a. Verheugen zu Wort kommen zu lassen mit dem fadenscheinigen Argument, es solle eine Beeinflussung der Bevölkerung von `außen´ vermieden werden. Die zypern-griechischen Medien dämonisierten den Annan Plan, welcher zu einer `nationalen Demütigung´ stilisiert wurde. Den Befürwortern des Annan Planes wurde kaum Raum gelassen, ihre Argumente anzubringen. Von einer ausgewogenen Berichterstattung wie es von einem Land erwartet wird, das die Kopenhagener Kriterien erfüllt und EU-Mitglied wird, kann kaum die Rede sein.

Wie geht es weiter?

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Flage Zyperns auf einem Berg richtung Süden

Seit dem 1. Mai 2004 ist nur der Süden, also die Republik Zypern, EU-Mitglied. Da jedoch die zypern-griechische Republik Zypern de jure die gesamte Insel repräsentiert, erkennt die EU die Grenze auf Zypern, die sogenannte `Grüne Linie´, nicht als EU-Außengrenze an. De jure ist nämlich strenggenommen auch der Norden bereits beigetreten. Da die Insel aber faktisch geteilt ist, wird das EU-Regelwerk im Norden noch nicht angewandt. Das ist die aktuelle Konstruktion.

Die EU ist derzeit dabei, Regelungen in Gang zu setzten, die schrittweise die wirtschaftliche und politische Isolation des Nordens lindern bzw. aufheben werden. Denn schließlich haben die Zyperntürken beim Referendum mit deutlichen 64% Ja-Stimmen sowohl für die Vereinigung der Insel als auch für die EU-Integration votiert. Daß sie dennoch außen vor bleiben ist dem negativen Votum der Zyperngriechen zuzuschreiben. Es ist damit eine Situation eingetreten, die die EU bis vor 2 Jahren gar nicht für möglich gehalten hätte, nämlich daß die Konfliktlösung am mangelnden Willen der Zyperngriechen scheitern würde.

Das Ergebnis des Referendums nimmt die EU politisch und moralisch in die Pflicht. Noch vor dem 1. Mai wurden dem Nordteil Finanzhilfen in Höhe von über 260 Millionen Euro bis 2006 zugesagt. Diese Gelder wurden ursprünglich im Falle einer Konfliktlösung in Aussicht gestellt. Daß diese Gelder so schnell bewilligt wurden, um das Engagement der Zyperntürken zu würdigen und ihre Entscheidung zu unterstützen, liegt u. a. an der Befürchtung, daß die Zyperngriechen ab dem 1. Mai als EU-Mitglied solche Gelder mit einem Veto blockieren könnten. Um die Aufhebung des faktischen Wirtschaftsembargos und die Frage nach Zulassung von direkten Flugverbindungen in den Norden wird derzeitig verhandelt. Talat hat bereits nicht zu unrecht argumentiert, daß die 260 Millionen Euro nicht optimal genutzt werden können, wenn der Norden weiterhin isoliert bleibt.

Ferner hat Talat bereits verlauten lassen, daß es nicht hinnehmbar sei, daß der Warenverkehr aus dem Norden ausschließlich über den Süden der Insel exportiert werden soll, wie es die EU vorgeschlagen hat. Denn der zypern-griechischen Regierung würde damit eine zu große Kontrolle der Wirtschaft des Nordens gestattet werden. Die Regierung Papadopoulos dürfte jedoch in solchen Fragen eher restriktiv reagieren und auf ihren Souveränitätsanspruch pochen. Derzeitig versucht die Regierung Papadopoulos beispielsweise durchzusetzen, daß die EU-Wirtschaftshilfe für den Norden über den Süden oder die UN an den Norden ausgezahlt wird. Andererseits muß die zypern-griechische Führung auch aufpassen, daß sie den Bogen nicht überspannt, denn eine Obstruktionshaltung würde sie inter-national und auch in der EU zunehmend isolieren. Hinzu kommt, daß es spätestens seit dem Doppel-Referendum auf Zypern klar sein dürfte, daß die Zyperngriechen sicher nicht den Willen der Zyperntürken mitrepräsentieren, was ihren Alleinvertretungsanspruch diskreditieren dürfte. Mittelfristig müßten deshalb auch Wege gefunden werden, eine politische de facto Repräsentation der Zyperntürken in der EU zu ermöglichen. Denn in unmittelbar absehbarer Zeit wird es bei dem Status quo bleiben.

Ein weiterer Grund, die Isolation des Nordteils abzumildern und den Menschen eine positive Zukunftsperspektive zu bieten liegt im übrigen auch im Interesse der Zyperngriechen. Denn wenn dies nicht geschieht, werden noch mehr Zyperntürken als bisher auswandern und sich in der EU niederlassen – bereits ca. 60 000 von ihnen sind im Besitz eines Passes der Republik Zypern und damit eines EU-Passes. In absehbarer Zeit würde der Norden dann vollends von Festlandstürken dominiert werden und damit würde eine gemeinsame Zukunft in einer Vereinten Republik Zypern in noch weitere Ferne rücken.

Wie sich die Verhältnisse auf Zypern in der nächsten Zeit gestalten werden hängt auch davon ab, ob die seit 1999 zunehmende Kooperation und Annäherung zwischen der Türkei und Griechenland auch weiterhin aufrechterhalten bleibt. Die für Dezember 2004 anstehende Entscheidung der EU, ob mit der Türkei Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden können, wird auch maßgeblichen Einfluß auf den weiteren Gang der Ereignisse auf Zypern haben. Der EU-Erweiterungskommissar Verheugen hat bereits durchscheinen lassen, daß die Situation auf Zypern nicht mehr einen negativen Einfluß auf die Entscheidung der Kommission bezüglich der Türkei haben wird, zumal eine Konfliktlösung an den Zyperngriechen gescheitert ist. Die Rolle der Türkei als treibende Kraft für eine positive Konfliktlösung im Verhandlungsprozeß wurde sehr positiv hervorgehoben. Auch wurde der Reformeifer in der Türkei positiv gewürdigt.

Die Türkei-Skeptiker in der EU können sich zumindest nicht mehr hinter der Zypernproblematik verstecken, um die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen abzulehnen.

Für die Perspektive eines vereinten Zypern bleibt zu hoffen, daß die Zyperngriechen bald merken, daß ihr Kalkül nach dem eigenen EU-Beitritt in einer besseren Verhandlungsposition zu sein, um noch ‚bessere Konditionen‘ in ihrem Sinne herauszuholen, ein Trugschluß war. Substantielle Veränderungen des Annan Plans wird es nicht mehr geben, allenfalls kleinere Zugeständnisse. Die Alternative wäre auf längere Sicht die Teilung der Insel, die weder im Interesse der Zyperngriechen und -türken noch der EU liegen kann.

In jedem Falle hat das Ergebnis des Doppel-Referendums noch mal eines deutlich gemacht. Die politische Lösung des Konfliktes ist zwar die wichtigste Aufgabe und der Rahmen einer Konfliktlösung, aber damit endet der Zypernkonflikt noch nicht. Eine politische Lösung muß sich auch gesellschaftlich als tragfähig erweisen und da gibt es noch viel aufzuarbeiten, auf beiden Seiten. Schließlich steht und fällt die künftige Vereinte Republik Zypern mit der gesellschaftlichen Akzeptanz und dem politischem Willen zur Kooperation durch beide Volksgruppen.

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