Überwachungsbehörden suchen IMs in der Anti-Atom-Bewegung

Ermittlungsausschuss Wendland und Bürgerinitiative rufen zur Verweigerung der informellen Zusammenarbeit mit Polizei und Geheimdiensten auf

Der nächste Castor-Transport nach Gorleben im Herbst wirft seine Schatten voraus. Die Kripo forscht offensichtlich die Anti-Atom-Szene im Wendland aus und sucht dafür informelle Mitarbeiter. Ein Fall wurde jetzt bekannt, weil die angesprochene Person sich dem Ermittlungsausschuss Gorleben (EA) anvertraute. „Möglicherweise ist das nur die Spitze des Eisbergs“, kommentiert die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI).

Der EA und die BI verurteilen in einer Erklärung die Anwerbungsversuche und appellieren an mögliche weitere Angesprochene, sich an den EA zu wenden.

Am 16. Juni 2010 wird eine Aktivistin aus dem Gorleben-Widerstand auf ihrem privaten Handy von einer ihr unbekannten Person angerufen. Der Anrufer stellte sich als Herr M. von der Polizei vor. Er wolle sich mit der Aktivistin über den nächsten Castor unterhalten, sagt er und erwähnt dabei einige Informationen, die aus polizeilichen Ermittlungen und Video-Aufnahmen von Demonstrationen stammen.

Überrumpelt und auch eingeschüchtert von dem Anruf eines scheinbar allumfassend informierten Apparates stimmt die Aktivistin einem Treffen zu, um für sich selbst in Erfahrung zu bringen, woher die Informationen über sie stammen und was die Polizei von ihr wolle.

Bei einem Treffen einen Tag später weist sich der Anrufer als Kriminalhauptkommissar Karl M. durch einen mutmaßlich vom Bundeskriminalamt ausgestellten Dienstausweis aus. Er erscheint in Begleitung einer weiteren Mitarbeiterin dieser oder einer anderen Behörde.
Herr M. verhält sich während des ca. 45-minütigen Gespräches freundlich, zeigt sich über die Lebenssituation der Angesprochenen gut informiert, aber behält die Quellen seiner Informationen stets für sich.

Er bezeichnet es als sein Anliegen, in Bezug auf den für November geplanten Castor-Transport ins Wendland „gewalttätige Ausschreitungen“ bereits „im Vorfeld unterbinden“ zu können. Die Aktivistin sei als mögliche Informantin ausgewählt worden, weil sie gemäß polizeilichem Profil zwar eine „militante Demonstrantin“ sei,  persönlich „aber nicht zu Gewalttaten“ neige. Was er genau damit meint, sagt er nicht.

Konkret fragt Karl M. die Aktivistin nach Kenntnissen über die Beteiligung antifaschistischer Gruppen aus Hamburg und Berlin sowie über „studentische Gruppen in Lüneburg“. Hauptaugenmerk seiner vielen Nachfragen sind jedoch lokale Initiativgruppen, die BI sowie die Bäuerliche Notgemeinschaft. Herr M. erwähnt Bildaufnahmen aus den letzten Jahren, welche die Aktivistin im Zusammenhang mit einigen dieser Gruppierungen zeige. Ganz besonders sind Herr M. und seine unbekannte Begleiterin am angeblichen „Gewaltpotenzial“ der Bäuerlichen Notgemeinschaft interessiert.
Hier fragen sie nach Namen, wollen sie konkretes zu Aktionen mit Treckern wissen.

Herr M. argumentiert, sie würde bei „Informationen“ schließlich „keinen Verrat begehen“, sondern „positiv einwirken“ helfen. Schließlich bietet er eine spezielle Handynummer für die Aktivistin an und stellt eine bestimmte Summe für jede „Information“ in Aussicht.

„Als die zunehmend empörte Aktivistin im Gespräch einen klaren Vergleich zu Spitzeldiensten für Geheimdienste wie der Stasi zieht, zeigen sich Risse in der freundlichen Fassade der Schnüffler“, gibt die Angesprochene dem EA gegenüber zu Protokoll. Das Gespräch wird daraufhin beendet. Die Behörde und Herr M. versuchten noch mehr als eine Woche lang durch mehrere Telefonversuche täglich, die Aktivistin umzustimmen und für ein weiteres Treffen zu gewinnen. Erst nach einer weiteren klaren Absage durch die Aktivistin hörten die telefonischen Belästigungen durch Karl M. gegen Ende Juni auf.

(Quelle: Pressemitteilung der Bürgerinititative
Umweltschutz Lüchow-Dannenberg vom 06.08.2010)

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