Pressemitteilung vom 02. Juni 2020
Junge Menschen verbringen einen Großteil ihrer Zeit in Organisationen, die außerhalb der schulischen Bildung liegen – wie Sportvereine, Jugendverbände oder Jugendzentren, sie engagieren sich in Vereinen und haben Freundschaftsnetzwerke. Dieses ist von jetzt auf gleich zum größten Teil weggebrochen, oftmals kann eine Umorganisation in digitale Formate nicht stattfinden oder wird als nicht ausreichend wahrgenommen. Viele, wenn nicht die meisten Jugendverbände arbeiten unter sowohl räumlich, als auch personell prekären Bedingungen, die sich gerade in Covid19-Zeiten sehr deutlich zeigen. Und diese prekäre Situation ist in aller Regel in den Kommunen hausgemacht: Mangelnde substanzielle Förderung von Jugendverbänden, die nicht zutreffende Disqualifizierung als »streichbare Leistung«, dieser wichtigen außerschulischen Bildungsarbeit und das weitgehende Ausblenden der Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen werden gerade in dieser Krise sichtbar.
Dabei ist Jugendarbeit „systemrelevant“, betont Georg Gunkel-Schwaderer, Bildungsreferent beim Jugendverband Sozialistische Jugend – Die Falken: „Gerade der Grundsatz der Freiwilligkeit dieses selbstbestimmten und selbstorganisierten Bildungsbereichs besitzt aber für Jugendliche einen besonderen Reiz und Stellenwert, in dieser besonderen Phase der Ablösung von der Familie. Hier können Jugendliche ohne Sanktionsdruck, selbstbestimmt, erfahrungs- und bedürfnisorientiert miteinander lernen. Jugendliche aller Alterststufen und Herkünfte bilden in den Jugendverbänden und -zusammenschlüssen Sympathie- und Neigungsgruppen, die es innerhalb der Schule, in dieser Vielfalt nicht gibt. Es werden wichtige soziale Erfahrungen im Umgang miteinander gemacht. Die Jugendverbandsarbeit bietet auch einen Schutzraum für Jugendliche, in dem sie niedrigschwellig und von Erwachsenen unbewertet Probleme, jugendrelevante und -spezifische Themen ansprechen können, wie es in anderen Bildungsräumen kaum möglich ist.“
Bei den nun anstehenden Lockerungen wird die Jugendarbeit in den Verordnungen nur ungenügend berücksichtigt, bzw. sich wenig Gedanken über die Umsetzbarkeit von Hygienebedingungen gemacht, kritisiert Georg Gunkel-Schwaderer: „Räumlichkeiten sind zu klein und so schlecht ausgestattet, dass sie sich nicht pandemiesicher betreiben lassen. Ganz zu schweigen von den Maßnahmen, die für eine Gruppenstunde von den Haupt- und Ehrenamtlichen zu leisten sind – wie Komplettdesinfektion von Flächen und (Spiel-)Material, Unterrichtung und Kontrolle von Hygienemaßnahmen, Führen von Anwesenheitslisten – Da kommen schnell mal 1-2 Stunden allein für diese Maßnahmen vor und nach einer 1,5 stündigen Gruppenstunde zusammen. Wie soll das alles für Ehrenamtliche sowie Teilzeitarbeitende zu bewerkstelligen sein, die entweder nebenbei noch arbeiten müssen oder bereits schon Überstunden vor sich herschieben? Ganz zu schweigen von datenschutzrechtlichen Problemen, die solche Listen aufwerfen…“
„Teile der neuesten Fassung der Verordnung des Landes wirken, wie vom Grünen Tisch aus entworfen: Warum sollten nur Hauptamtliche Gruppen leiten dürfen? Dazu haben sich viele Jugendliche aufwändig zu Jugendleiterinnen ausbilden lassen – werden aber nun durch die Verordnung zu Hilfsarbeiterinnen des (in manchen Verbänden noch nicht einmal vorhandenen) Hauptamts degradiert“, fügt Gunkel-Schwaderer hinzu.
Der Stadtjugendring fordert von der kommunalen Politik, nicht nur Jugendräume zu erhalten, sondern diese auch von der Zahl und Qualität her auszubauen. Ein Haus der Jugend hätte aus unserer Sicht ausreichend Platz, um Kinder- und Jugendgruppen die Begegnung auch in Zeiten von physical Distancing zu ermöglichen und alle Hygienekonzepte überhaupt erst umsetzbar zu machen. Dies ist in vielen derzeitigen Jugendräumen nicht möglich. Jugendvereine und Verbände brauchen dazu dringend mehr finanzielle Förderung und Würdigung in ihrer Arbeit.
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